BRIEFWECHSEL MIT DEM BUNDESPRÄSIDENTEN 

Prof. Dr. Roman Herzog Villa Hammerschmidt Adenauerallee 135 53113 Bonn

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Erster Brief vom 1. April 1997

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Sie kennen sicherlich auch die "Ich rauche gern" Werbung des Hamburger Zigarettenherstellers Reemtsma. Bei einer so direkten und unverblümten Aufforderung zum Rauchen ließ mein Gewissen mir keine Ruhe bis ich zur Tat geschritten bin und mit einer Spraydose versucht habe, dieser Werbung ihre schädliche Wirkung zu nehmen. Ich machte daraus: 

"Ich, Idiot, rauche gern"

Nun bin ich von der Polizei dabei ertappt worden. Die Beamten waren sehr freundlich und zeigten auch Verständnis für meine Aktion. Nichtsdestotrotz habe ich eine Vorladung bekommen und mußte mein Handeln, welches mir den Vorwurf der Sachbeschädigung durch Farbschmiererei eingebracht hat, begründen. Meine Begründung liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Eine genaue Kopie davon einschließlich Bilder und Anhang ist diesem Schreiben beigelegt. Ich möchte Sie bitten, sie zu lesen. 

Angesichts der Vorgänge in den USA ist die Zeit reif, glaube ich, auch bei uns endlich die Förderung - durch welche Mittel auch immer - dieser so gesundheitsschädlichen (für viele ja tödlichen) Sucht zu verbieten. Wenn ich die Statistiken über die Gesundheitsschäden und die Todesfälle (vom Bundesministerium für Gesundheit für die BRD auf mindestens 90.000/a geschätzt), die durch das Rauchen verursacht werden, lese, scheint es mir ungeheuerlich, daß für Zigaretten immer noch Werbung gemacht werden darf. Man kann das Rauchen nicht generell verbieten, aber angesichts unseres heutigen Wissens sie noch zu fördern, ist - man muß es deutlich sagen - ein Verbrechen! 

Die Tabakindustrie und die Deutsche Städte-Reklame GmbH handeln so wie sie es tun, weil sie ihre geschäftlichen Interessen über alles stellen - auch über die Gesundheit und das Leben von Menschen. 

Die politischen Entscheidungsträger tragen die Verantwortung, diesen skrupellosen Geschäftemachern Einhalt zu gebieten. Obwohl der Bundeskanzler einen Eid leistete, in welchem er Schaden vom deutschen Volk fernzuhalten versprach, hat seine Regierung vor wenigen Jahren ein generelles Verbot für Zigarettenwerbung abgelehnt. Das begreife ich nicht! Die Regierung steht sicherlich unter Druck von den verschiedensten wirtschaftlichen Interessengruppen, aber angesichts der Schädlichkeit des Rauchens, dürfte das überhaupt keine Rolle spielen. 

Es geht auch nicht nur um uns in der Bundesrepublik. Die World Health Organization (WHO) schätzt die Zahl der durch das Rauchen verursachten Todesfälle weltweit derzeit auf ca. 3 Millionen Menschen - JÄHRLICH! Das entspricht einem Holocaust alle 2 Jahre! Wenn es nach der Tabakindustrie geht, wird es in Zukunft durch steigenden Konsum in den Entwicklungsländern ein mehrfaches davon werden. Direkt können wir den Tabakkonsum in diesen Ländern nicht verhindern, aber indirekt, indem wir selber konsequent handeln, können wir ein sehr wichtiges Zeichen setzen. Die Zigarettenwerbung trägt wesentlich dazu bei, daß jeden Tag hunderte ja tausende junger Menschen anfangen zu rauchen oder weiter rauchen. Es ist spät aber nicht zu spät. Je eher wir handeln desto besser. 

Sie haben vor einiger Zeit in einer Rede zu mehr Zivilcourage aufgerufen. Ich hoffe, daß ich durch meine Aktion, ein wenig davon gezeigt habe. Jetzt sind Sie daran.* 

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich für dieses Thema einsetzen würden, bei den verantwortlichen Politikern und auch in der Öffentlichkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Roger A. Hicks

* Das ist nicht respektlos gemeint, sondern will mein Verständnis zum Ausdruck bringen, daß es für Sie nicht leicht sein und auch Mut verlangen würde, wenn Sie mit der not-wendigen Deutlichkeit zu diesem Thema in der Öffentlichkeit Stellung beziehen sollen. 


Antwort vom 8. April 1997

Sehr geehrter Herr Hicks,
im Auftrag des Bundespräsidenten danke ich Ihnen für Ihre Zuschrift vom 1. April. Ihre Ausführungen anhand der beigefügten Unterlagen sind hier zur Kenntnis genommen worden.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag 


Zweiter Brief vom 27. Juni 1997

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, 
ich erinnere Sie an meinem Brief zum Thema Zigarettenwerbung vom 1. April (Um Ihnen den Gang zum Aktenschrank zu ersparen, habe ich eine Kopie diesem Brief beigefügt). Wegen meiner Aktion gegen die "Ich rauche gern" Werbung bin ich zu einer Strafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Dagegen legte ich Einspruch ein, woraufhin es am 9. Juni beim Amtsgericht Braunschweig zur Hauptverhandlung gekommen ist. Die Begründung meiner Aktion gegen diese Werbung, die Sie als Anlage zu meinem ersten Brief schon haben, wurde vom Gericht mit Sympathie und Verständnis aufgenommen. Ich mußte mich aber belehren lassen, daß es in Deutschland NICHT gegen das Gesetz ist, junge Menschen oder gar Kinder durch Straßenwerbung zum Rauchen zu motivieren, obwohl Rauchen nachweislich zu Gesundheitsschäden und für viele in späteren Jahren zum Tode führen wird. Ich wurde vom Gericht genötigt, mit meiner Aktion aufzuhören, aber gleichzeitig vom Richter (ein passionierter Nichtraucher, wie er erklärte) ermuntert, meinen Kampf gegen die Zigarettenwerbung - auf legale Weise - fortzuführen. Das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. 

Daß ich wegen Sachbeschädigung angeklagt worden bin, stellt mein Verständnis vom Recht auf den Kopf. Es sind die Tabakindustrie, die für sie arbeitenden Werbeagenturen und die Deutsche Städte-Reklame GmbH, die skrupellos ihre geschäftlichen Interessen über die Gesundheit und das Leben unserer Kinder stellen, die auf die Anklagebank gehören! 

Sie sind nicht nur Bundespräsident, sondern auch studierter Jurist und ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Was sagen Sie dazu? 

Ihre Ansprache vom 26. April im Hotel Adlon habe ich von Ihrer Homepage heruntergeladen und mit großem Interesse gelesen. An einer Stelle sprechen Sie von "Unsere Jugend als das größte Kapital, das wir haben". So kann man sie sicherlich auch sehen. Warum schützen wir diese Jugend nicht wirksam und entschieden vor den skrupellosen Geschäftemachern, die sie zum Rauchen (oder Weiterrauchen) motivieren wollen und zu diesem Zweck jedes Jahr viele hunderte Millionen Mark für Zigarettenwerbung und Promotion ausgeben? Ich weiß, es ist ein heißes Eisen - weil soviele Interessen daran hängen, daß alles so bleibt, wie es ist. Ich bin aber der Meinung - und ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie es anders sehen -, daß die Gesundheitsinteressen unserer Jugend noch viel wichtiger sind als alle anderen Interessen zusammengenommen. 

Seit meinem ersten Brief vom 1. April (vor etwa 12 Wochen) sind mehr als 20.000 Menschen hauptsächlich an den Folgen des Tabakkonsums in der Bundesrepublik Deutschland gestorben (Nach einer Schätzung des Bundesministeriums für Gesundheit sind es mehr als 90.000 im Jahr!). Das sind ca. 250 Menschenleben jeden Tag! Ich weiß, es ist schwer zu glauben, daß das wirklich stimmt, was daran liegt, daß die tödlichen Folgen des Rauchens erst nach vielen Jahren zum Vorschein kommen und auch dann nur statistisch erfaßbar sind. Sie sind aber dadurch nicht weniger schrecklich und sollten deswegen auch nicht irgendwie akzeptabler sein. 

Vielleicht sind Sie selber Raucher - ich weiß es nicht - und tun sich deswegen schwer mit diesem Thema. Ich will nicht die Raucher schlecht machen. Ich habe früher auch geraucht. Ich kämpfe gegen die Zigarettenwerbung. Denn solange es sie gibt, werden wir viele junge Menschen nie davon überzeugen, daß die Warnungen, die sich inzwischen auf allen Zigarettenpackungen befinden, wirklich ernst zu nehmen sind. In der Begründung meiner Aktion für die Staatsanwaltschaft (siehe Anlage zu meinem ersten Brief) habe ich versucht das zu verdeutlichen. 

Ich bitte Sie ganz herzlich, sich des Themas der Zigarettenwerbung zuzuwenden, auch wenn man nichts machen kann, was einen sofortigen Rückgang der Todesfälle zur Folge haben würde (denn die Folgen des Rauchens wirken sich erst nach Jahrzehnten aus). Es geht um unsere Kinder und Enkelkinder (unser größtes Kapital, wie Sie sagen) und wie es um sie in 20, 30, 40 Jahren bestellt ist - ob auch dann immer noch um die 250 Menschen jeden Tag an den Folgen des Rauchens sterben werden oder nicht. Das entscheiden wir - heute und morgen! 

Mit freundlichen Grüßen 


Keine Antwort

Dritte Brief vom 25 August 1997

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

anbei eine Kopie eines Briefes, den ich Ihnen vor zwei Monaten schrieb, worauf ich aber keine Antwort bekommen habe. Wahrscheinlich ist er bei den vielen anderen Briefen untergegangen. Es war ja auch die Urlaubszeit und ich hatte es versäumt, Ihr Aktenzeichen anzugeben. Ich hoffe, daß Sie, bzw. eine(r) Ihrer Mitarbeiter(innen), den Brief jetzt lesen und mir darauf antworten werden, denn die Sache ist mir sehr wichtig.

Mit freundlichen Grüßen 



Antwort vom 8. September 1997

Sehr geehrter Herr Hicks,

im Auftrag des Bundespräsidenten danke ich Ihnen für Ihre Zuschriften. Ihre Ausführungen sind im Bundespräsidialamt zur Kenntnis genommen worden.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag 


Vierter Brief vom 15 September 1997

Betreff.: Ihre Kenntnisnahme vom 8. September 1997

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Danke für Ihre Zurkenntnisnahme meines Briefes vom 25. August. Ehrlich gesagt, hatte ich mir etwas mehr erhofft, bzw. erwartet. Ich hatte Sie ja um eine Antwort oder eine Stellungnahme zu meinem Brief vom 27. Juli gebeten. 

Ich bin in einer schwierigen Lage, weil ich überall in meiner Stadt Werbeplakate sehe, die junge Menschen direkt zum Rauchen auffordern (auch Kinder und Jugendliche, denn "Plakate sieht Jeder!" Sehen Sie bitte auch die Unterlagen zu meinem ersten Brief vom 1. April 1997) und fühle mich verpflichtet, etwas dagegen zu unternehmen - darf es aber nicht, weil es mir vom Amtsgericht Braunschweig untersagt worden ist!

Wenn man offiziellen Informationen aus dem Bundesministerium für Gesundheit glauben schenken kann, und das möchte ich hoffen, sind seit meinem ersten Schreiben an Sie vom 1. April 1997 in der Bundesrepublik Deutschland etwa 40.000 Menschen hauptsächlich an den Folgen des Tabakkonsums gestorben. Das muß man erstmal versuchen zu begreifen! Deswegen ist diese Sache so wichtig. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie versucht haben, mich mit nur einer Zurkenntnisnahme zufrieden zu stellen.

Nicht wegen mir sollten Sie sich mit diesem Thema beschäftigen, sondern wegen den jungen Menschen (unser größtes Kapital, wie Sie sie selbst Mal bezeichnet haben), die heute durch Zigarettenwerbung zum Rauchen oder Weiterrauchen verführt werden sollen. Nur weil sie erst in 20 bis 40 Jahren gute Chancen haben, daran zu sterben, macht das die Sache nicht weniger schlimm, sondern nur schwieriger zu fassen.

Mit freundlichen Grüßen 
(und der Hoffnung auf eine richtige Antwort auf meinem Brief vom 27. Juni 1997)

Roger A. Hicks 



 

Antwort vom 25. September 1997

Sehr geehrter Herr Hicks,

im Auftrag von Bundespräsident Roman Herzog bestätige ich dankend den Eingang Ihres erneuten Briefes vom 15. September.

Ihre Schreiben nimmt der Bundespräsident jeweils zu Kenntnis, doch bitte ich um Verständnis, wenn Ihre Aktionen und daraus resultierende Gerichtsverfahren von hier aus unkommentiert bleiben. In diesem Zusammenhang erfolgt auch keine Einlassung des Bundespräsidenten zu Thema des Rauchens.

Mit freundlichen Grüßen 
Im Auftrag 


Fünfter Brief vom 27. September 1997

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Danke für Ihr Schreiben vom 25. September 1997.

Sie bitten mich um Verständnis dafür, daß Sie keinen Kommentar zu meiner Aktion gegen die "Ich rauche gern" Zigarettenwerbung, die direkt und unverblümt zum Rauchen motiviert (auch Kinder, denn "Plakate sieht jeder!") und das daraus resultierende Gerichtsverfahren abgeben. Dann sagen Sie mir bitte WIE ich Ihre Zurückhaltung verstehen sollte? Daß es schwierig wäre und von Ihnen Mut verlangen würde, einen aufrichtigen und glaubhaften Kommentar abzugehen, daß kann ich verstehen. Ich glaube aber daß die Gesundheit unserer Jugend ("unser größtes Kapital") es wert ist, und daß man es von Ihnen als Bundespräsident, der andere zur Zivilcourage und Verantwortung mahnt, auch erwarten darf.

Wenn Sie meine Schreiben aufmerksam gelesen haben, werden Sie auch gemerkt haben, daß es mir nicht um das Rauchen, sondern um die ZIGARETTENWERBUNG geht.

Ich hätte nach wie vor von Ihnen sehr gern eine Stellungnahme zu meinen Brief vom 27. Juni 1997.

Es tut mir leid, wenn ich Ihnen mit meinen wiederholten Schreiben auf die Nerven gehe, aber die Vorstellung, daß jedes Jahr (laut Bundesministerium für Gesundheit) über 90.000 Deutsche hauptsächlich an den Folgen des Tabakkonsums frühzeitig sterben, während an jeder Straßenecke für die nächste Generation von Rauchern geworben wird, treibt mich dazu!

Mit freundlichen Grüßen 


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