Berichterstattung in der Braunschweiger Zeitung
(Lokalteil) vom 11. Juni 1997 
48jähriger besprüht Plakatwände
"Idiot" prangte auf Zigarettenwerbung
(Von Hans-Christian Zehme)
 
Wo beginnt das Recht auf freie Meinungsäußerung, wo endet es? Und verführt ein Zigarettenhersteller, der auf Plakatwänden und an Litfaßsäulen mit dem Slogan "Ich rauche gern" wirbt, junge Leute zum Rauchen?

Darum ging es im Amtsgericht, wo sich ein 48 Jahre alter Brite, der in Braunschweig als Übersetzer arbeitet, wegen Sachbeschädigung in 25 Fällen verantworten mußte. Denn der schlanke Vollbartträger in Sandalen und weißen Socken hatte an einem Märzabend diverse Plakate, die den Aufdruck "Ich rauche gern" trugen, mit dem Zusatz "Idiot" besprüht.
    Deshalb war der Beschuldigte, der mit einer Studentin verheiratet ist, vor wenigen Wochen bereits zu 60 Tagessätzen (je 30 Mark) Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen hatte er aber Einspruch eingelegt. 
    Daß der 48jährige ein "Überzeugungstäter" ist, darin waren sich alle Verfahrensbeteiligten einig. "Ich war früher selbst Raucher. Ich weiß, wie schwer es ist, damit aufzuhören", erklärte der Angeklagte. Darauf Richter Klaus Blanck: "Ich bin passionierter Nichtraucher." Staatsanwältin Daniela Köhler äußerte sich dazu nicht. 
    Nach den Gründen gefragt, warum er die "Ich rauche gern" Plakate beschmiert hatte, betonte der Beschuldigte: "Die Tabakindustrie versucht, Akzeptanz fürs Rauchen zu schaffen. Das ist etwas ganz Schlimmes. Ich rege mich immer auf, wenn ich Zigarettenwerbung sehe. Hier handelt es sich um eine geschäftlich motivierte Lüge, um eine auch auf Minderjährige wirkende Aufforderung zum Rauchen. Da habe ich mir gedacht, daß ich etwas unternehmen muß. Diese Werbung gehört verboten." Es werde für ein Suchtmittel geworben, das zum Tode fuhren könne. 
    Auch die Deutsche Städte-Reklame (DSR), an deren Wänden die Werbeplakate hängen, griff er an. Einen DSR-Sachbearbeiter aus Wolfenbüttel fragte er zornig nach dem Warum. Der Zeuge, der 500 Mark Schadensersatz forderte: "Wenn es nicht gegen Gesetz und gute Sitten verstößt . . ." 
    Der Richter bremste schließlich den Redefluß des Zigarettengegners. Freundlich, aber bestimmt sagte er: "Jemand, der nicht raucht, den stört diese Werbung nicht. Sie haben in die Rechte anderer eingegriffen und die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten.. Sie sind nicht der Moralapostel der Nation. Allerdings könnten Sie eine Gegenaktion starten und selbst Plakate aufhängen. Sie können aufklären, aber nur, wenn es legitim ist." 
    Auch die Staatsanwältin schaltete sich ein: "Eigentlich machen Sie einen rechstreuen Eindruck", attestierte sie dem Beschuldigten, der Fotos der von ihm beschädigten Plakate vorzeigte. "Aber so lange diese Werbung nicht offiziell verboten ist, haben Sie kein Recht, sie privat zu verbieten." 
    Nachdem der Angeklagte versprochen hatte, seine Aktion nicht zu wiederholen, wurde das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt.


Ich reagiert auf diesen Artikel mit einem Leserbrief aber die Braunschweiger Zeitung 
weigerte sich, ihn zu veröffentlichen.