Wo beginnt das Recht auf freie Meinungsäußerung, wo endet
es? Und verführt ein Zigarettenhersteller, der auf Plakatwänden
und an Litfaßsäulen mit dem Slogan "Ich rauche gern" wirbt,
junge Leute zum Rauchen?
Darum ging es im Amtsgericht, wo sich ein 48 Jahre alter Brite, der
in Braunschweig als Übersetzer arbeitet, wegen Sachbeschädigung
in 25 Fällen verantworten mußte. Denn der schlanke Vollbartträger
in Sandalen und weißen Socken hatte an einem Märzabend diverse
Plakate, die den Aufdruck "Ich rauche gern" trugen, mit dem Zusatz "Idiot"
besprüht.
Deshalb war der Beschuldigte, der mit einer Studentin
verheiratet ist, vor wenigen Wochen bereits zu 60 Tagessätzen (je
30 Mark) Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen hatte er aber Einspruch
eingelegt.
Daß der 48jährige ein "Überzeugungstäter"
ist, darin waren sich alle Verfahrensbeteiligten einig. "Ich war früher
selbst Raucher. Ich weiß, wie schwer es ist, damit aufzuhören",
erklärte der Angeklagte. Darauf Richter Klaus Blanck: "Ich bin passionierter
Nichtraucher." Staatsanwältin Daniela Köhler äußerte
sich dazu nicht.
Nach den Gründen gefragt, warum er die "Ich
rauche gern" Plakate beschmiert hatte, betonte der Beschuldigte: "Die Tabakindustrie
versucht, Akzeptanz fürs Rauchen zu schaffen. Das ist etwas ganz Schlimmes.
Ich rege mich immer auf, wenn ich Zigarettenwerbung sehe. Hier handelt
es sich um eine geschäftlich motivierte Lüge, um eine auch auf
Minderjährige wirkende Aufforderung zum Rauchen. Da habe ich mir gedacht,
daß ich etwas unternehmen muß. Diese Werbung gehört verboten."
Es werde für ein Suchtmittel geworben, das zum Tode fuhren könne.
Auch die Deutsche Städte-Reklame (DSR), an
deren Wänden die Werbeplakate hängen, griff er an. Einen DSR-Sachbearbeiter
aus Wolfenbüttel fragte er zornig nach dem Warum. Der Zeuge, der 500
Mark Schadensersatz forderte: "Wenn es nicht gegen Gesetz und gute Sitten
verstößt . . ."
Der Richter bremste schließlich den Redefluß
des Zigarettengegners. Freundlich, aber bestimmt sagte er: "Jemand, der
nicht raucht, den stört diese Werbung nicht. Sie haben in die Rechte
anderer eingegriffen und die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten..
Sie sind nicht der Moralapostel der Nation. Allerdings könnten Sie
eine Gegenaktion starten und selbst Plakate aufhängen. Sie können
aufklären, aber nur, wenn es legitim ist."
Auch die Staatsanwältin schaltete sich ein:
"Eigentlich machen Sie einen rechstreuen Eindruck", attestierte sie dem
Beschuldigten, der Fotos der von ihm beschädigten Plakate vorzeigte.
"Aber so lange diese Werbung nicht offiziell verboten ist, haben Sie kein
Recht, sie privat zu verbieten."
Nachdem der Angeklagte versprochen hatte, seine
Aktion nicht zu wiederholen, wurde das Verfahren wegen Geringfügigkeit
eingestellt.
Ich reagiert auf diesen Artikel mit einem Leserbrief
aber die Braunschweiger Zeitung
weigerte sich, ihn zu veröffentlichen.
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