Erster
Brief an die Geschäftsleitung der TK vom 2. April 1997
(Wortgleich mit dem ersten Brief an die AOK)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie kennen sicherlich auch die "Ich rauche gern" Werbung des
Hamburger Zigarettenherstellers Reemtsma. Bei einer so direkten und unverblümten
Aufforderung zum Rauchen ließ mein Gewissen mir keine Ruhe bis ich
zur Tat geschritten bin und mit einer Spraydose versucht habe, dieser Werbung
ihre schädliche Wirkung zu nehmen. Ich machte daraus:
"Ich, Idiot, rauche gern"
Nun bin ich von der Polizei dabei ertappt worden. Die Beamten waren
sehr freundlich und zeigten auch Verständnis für meine Aktion.
Nichtsdestotrotz habe ich eine Vorladung bekommen und mußte mein
Handeln, welches mir den Vorwurf der Sachbeschädigung durch Farbschmiererei
eingebracht hat, begründen. Meine Begründung liegt jetzt bei
der Staatsanwaltschaft. Eine genaue Kopie davon einschließlich Bilder
und Anhang ist diesem Schreiben beigelegt. Ich möchte Sie bitten,
sie zu lesen.
Angesichts der Vorgänge in den USA ist die Zeit reif, glaube ich,
auch bei uns endlich die Förderung - durch welche Mittel auch immer
- dieser so gesundheitsschädlichen (für viele ja tödlichen)
Sucht zu verbieten. Wenn ich die Statistiken über die Gesundheitsschäden
und die Todesfälle (vom Bundesministerium für Gesundheit für
die BRD auf mindestens 90.000/a geschätzt), die durch das Rauchen
verursacht werden, lese, scheint es mir ungeheuerlich, daß für
Zigaretten immer noch Werbung gemacht werden darf. Man kann das Rauchen
nicht generell verbieten, aber angesichts unseres heutigen Wissens, sie
noch zu fördern, ist - man muß es deutlich sagen - ein Verbrechen!
Die Tabakindustrie handelt so wie sie es tut, weil sie ihre geschäftlichen
Interessen über alles stellt - auch über die Gesundheit und das
Leben von Menschen.
Eigentlich tragen die Politiker die Verantwortung dafür, diesen
skrupellosen Geschäftemachern Einhalt zu gebieten. Leider sind sie
dieser Verantwortung bisher nicht nachgekommen. Erst vor wenigen Jahren
hat die Bundesregierung sogar ein generelles Verbot für Zigarettenwerbung
abgelehnt, sicherlich nicht zuletzt weil sie unter dem Druck der verschiedensten
wirtschaftlichen Interessengruppen steht - obwohl das, angesichts der Schädlichkeit
des Rauchens, überhaupt keine Rolle spielen dürfte. Aber jemand
muß handeln! Angesichts unseres heutigen Wissens, kann man nicht
einfach zuschauen, während noch eine Generation junger Menschen zum
Rauchen verführt wird, und die schon Süchtigen noch bei der Stange
bzw. beim "Glimmstengel" gehalten werden.
Es geht auch nicht nur um uns in der Bundesrepublik. Die World Health
Organization (WHO) schätzt die Zahl der durch das Rauchen verursachten
Todesfälle weltweit derzeit auf ca. 3 Millionen Menschen - JÄHRLICH!
Das entspricht einem Holocaust alle 2 Jahre! Wenn es nach der Tabakindustrie
geht, wird es in Zukunft durch steigenden Konsum in den Entwicklungsländern
ein mehrfaches davon werden. Direkt können wir den Tabakkonsum in
diesen Ländern nicht verhindern, aber indirekt, indem wir selber konsequent
handeln, können wir ein sehr wichtiges Zeichen setzen. Die Zigarettenwerbung
trägt wesentlich dazu bei, daß jeden Tag hunderte ja tausende
junger Menschen anfangen zu rauchen oder weiter rauchen.
Ich wende mich an Sie meine verehrten Damen und Herren von der TK und
den anderen gesetzlichen Krankenkassen, weil die Gesundheit der Menschen
IHRE Sache ist, sie ist ihr Beruf, ihre Aufgabe und ihr Geschäft.
Während die Politiker unter dem Druck der Tabaklobby stehen, liegen
Ihre Interessen, auch Ihre wirtschaftlichen Interessen, genau umgekehrt:
Das Rauchen kostet die Krankenkassen Milliarden!
Was hindert Sie daran, in Deutschland gegen die Tabakindustrie gerichtlich
vorzugehen, wie das in den USA geschieht, und was neulich für eine
so positive Wende gesorgt hat?
Es wird geschätzt, daß allein in Deutschland die Tabakindustrie
jedes Jahr zwischen 500 und 700 Millionen DM für Zigarettenwerbung
ausgibt. Das stellt einen gewissen - sicherlich unverhältnismäßig
hohen - Anteil ihres Umsatzes da. Ich schlage vor, daß Sie die Tabakindustrie
daraufhin verklagen, daß sie jegliche Förderung des Rauchens
einstellt und in Zukunft den gleichen Anteil ihres Umsatzes einem gemeinsamen
Fond der gesetzlichen Krankenkassen überweist, die die Aufgabe hat
das Rauchen zu bekämpfen. Es wird vor allem darum gehen, das positive
Image, das die Tabakindustrie über die Jahre für das Rauchen
geschaffen und am Leben gehalten hat, zu zerstören und mit einem wahrheitsgetreuen
Bild zu ersetzen.
Ich möchte Sie dazu auffordern, zusammen mit den anderen gesetzlichen
Krankenkassen gegen die Förderung des Rauchens durch die Tabakindustrie
massiv in die Offensive zu gehen. Die Kosten sollten Sie nicht scheuen.
Sie werden Ihnen sowieso von der Tabakindustrie zurückerstattet!
Wenn ich Ihnen behilflich sein kann, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
der TK vom 16. April 1997
Az: Raucher/U RG.1/H 3.24 16.04.97
Werbung der Tabakindustrie
Sehr geehrter Herr Hicks,
Ihr Schreiben vom 02.04.97 wurde unserem Fachbereich zur Beantwortung
übergeben.
Wir haben Ihre Ausführungen mit Interesse gelesen. Die geschätzten
Zahlen des Bundesministeriums für Gesundheit geben in der Tat zu denken.
Die Aufklärung über mögliche gesundheitliche Schäden
durch das Rauchen ist allerdings in den letzten Jahren so erheblich intensiviert
worden, daß für jeden Menschen, der verantwortungsbewußt
mit seiner Gesundheit umgeht, eine mögliche Manipulation durch die
Werbung nicht überbewertet werden sollte. Die Krankenversicherung
versucht ständig durch aufklärende Broschüren in vielen
Bereichen, den Versicherten schon präventiv das Bewußtsein für
die Notwendigkeit einer gesunden Lebensweise im Interesse jedes einzelnen
zu vermitteln.
Solange Tabakwaren noch legal zu erwerbende Handelsware sind, kann jeder
frei entscheiden, ob er sich dem bekannten Risiko aussetzen will. Die Werbung
allein ist wohl nicht in der Lage, den Willen des Menschen zu beeinflussen.
Erziehung und lebende Vorbilder spielen eine größere Rolle.
Die letzte Verantwortung trägt jeder selbst. Das gilt nicht nur
für die Entscheidung rauchen ja oder nein, sondern für alles,
was der Gesundheit abträglich ist und vermieden werden könnte,
wie extremer Alkoholkonsum oder auch übertriebene sportliche Freizeitbetätigung.
Mit einer gewissen Berechtigung kann daher die Tabakindustrie zu ihrer
Entlastung auch andere Risiken ins Feld führen.
Für die Krankenversicherung ist es leider unmöglich, das Problem
zu lösen.
Mit freundlichem Gruß Fachbereich Regresse Frau H. Henneberg
Zweiter
Brief an der TK vom 18. April 1997
An Frau Henneberg, die Techniker Krankenkasse, Bramfelder Str. 140,
22305 Hamburg
Sehr geehrte Frau Henneberg,
danke für Ihren Brief vom 16. April. Ich muß Ihnen aber
ehrlich sagen, daß ich von dem, was Sie schreiben, nicht nur sehr
enttäuscht, sondern ENTSETZT bin!
Daß Ihnen die geschätzte Zahl von 90.000 Todesfällen
jährlich durch Tabakkonsum in der Bundesrepublik "zu denken" gibt,
finde ich - um es linde auszudrücken - ein bißchen wenig. Wie
stehen Sie dann zu den von der WHO geschätzten 3 Millionen Todesfällen
weltweit? Gibt das Ihnen auch "zu denken"? Ob es in 30 Jahren - wenn es
nach einer anderen Schätzung der WHO jährlich über 10 Millionen
Todesfälle weltweit geben wird - Ihren Nachfolgern bei der TK auch
"zu denken" geben wird?!
Ich frage mich, ob Sie meine Begründung an die Staatsanwaltschaft
überhaupt gelesen haben können. Dabei habe ich mich soviel Mühe
damit gemacht.
Ich möchte Sie und Ihre Kollegen bitten meine Begründung nochmals
- vielleicht etwas langsamer als das erste Mal - durchzulesen. Wenn es
Ihnen dann immer noch nur "zu denken" gibt, und Sie sonst bei dem, was
Sie mir geschrieben haben, bleiben wollen, müssen wir es so lassen.
Es tut mir leid, aber mehr kann ich auch nicht tun.
Wenn Sie weiter nichts damit anfangen können, bitte schicken Sie
mir meine Begründung an die Staatsanwaltschaft wieder zurück.
Danke.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
der TK vom 28. April 1997
Ihr Schreiben vom 18.04.97
Klage gegen die Tabakindustrie
Sehr geehrter Herr Hicks,
wir bedauern, daß wir Sie mit unserer Antwort so sehr enttäuscht
haben.
Bitte, versuchen Sie auch unsere Situation zu verstehen. Die TK führt
keine Statistiken über Ursachen von Erkrankungen oder Todesfällen.
Nach unserer Kenntnis werden derartige Statistiken auch von keiner anderen
gesetzlichen Krankenversicherung geführt.
Wer Ansprüche geltend macht, ist bekanntlich beweispflichtig für
die Tatsachen, aus denen er die von ihm begehrte Rechtsfolge herleitet.
"Geschätzte Zahlen" haben vor Gericht keinen Bestand.
Um eindeutiges Zahlenmaterial vorweisen zu können, müßten
für die Dauer eines repräsentativen Zeitraums in jedem Einzelfall
der möglicherweise mit dem Rauchen in Verbindung stehenden Diagnosen
genaue medizinische Gutachten vorgelegt werden können. Ganz abgesehen
von datenschutzrechtlichen Einwenden wäre ein derartiges Verfahren
mit hohen Kosten verbunden. Die hierfür erforderlichen Gelder stehen
jedoch nicht zur Verfügung. In diesem Zusammenhang weisen wir auf
die ständig in Rede stehende Kostenexplosion im Gesundheitswesen hin.
Kostenabbau ist das Gebot der Stunde, nicht zusätzliche Belastungen.
Des weiteren würde sich die Frage stellen, wer ist zu verklagen,
die gesamte Tabakindustrie oder einzelne Unternehmen?
Der Ausgang eines derartigen Verfahrens wäre absolut nicht vorauszusehen;
denn die Tabakindustrie würde sich mit Sicherheit zu wehren wissen.
Wir bedauern, auch heute keinen positiven Bescheid erteilen zu können,
und senden Ihnen wunschgemäß Ihre Unterlagen wieder zurück.
Mit freundlichem Gruß
Fachbereich Regresse
Frau H. Henneberg
Dritter
Brief an der TK vom 7. Mai 1997
An Frau Henneberg, Die Techniker Krankenkasse, Bramfelder Str. 140,
22305 Hamburg
Ihr Zeichen: 28.04.97 Az: Raucher/U RG.1/H 3.24
Sehr geehrte Frau Henneberg,
danke für Ihren Brief vom 28. April. Ich freue mich, daß
Sie trotz meinem ziemlich harter Tonart geantwortet haben. Das ermuntert
mich noch nicht aufzugeben und weiter zu versuchen, Sie (den gesetzlichen
Krankenkassen) davon zu überzeugen, daß Sie viel viel mehr gegen
die Promotion vom Rauchen unternehmen müssen. Denn wer sollte es sonst
tun, wenn nicht Sie?!
Sie schreiben von wie schwierig es ist, eindeutiges Zahlenmaterial vorzuweisen,
aber es besteht heute überhaupt keinen Zweifel mehr, an den Zusammenhang
zwischen Rauchen und vielen, auch tötlichen Krankheiten. Die Statistiken
sprechen eine ganz deutliche Sprache: 90.000 Todesfällen jährlich
durch Tabakkonsum in der Bundesrepublik Deutschland. Oder wollen Sie mir
sagen, daß der Bundesminister für Gesundheit nicht weiß
wovon er redet?
Muß man Ihnen die Leichen vor der Tür stapeln?!
Aber gerade das zieht leider nicht, weil für einen bestimmten Todesfall
ist die Beweisführung äußerst schwierig oder unmöglich.
Die Beweise sind statistischer Natur.
Es geht um den Schütz unserer Kinder und Enkelkinder
Daß die Beweisführung in einem konkreten Fall äußerst
schwierig wenn nicht unmöglich ist, liegt an der Natur der Sache.
Wir haben das gleiche Problem wenn es darum geht Krankheiten auf erhöhte
Dosen von Radioaktivität zurückzuführen.
Ich muß Ihnen aber ehrlich sagen, daß ich von dem, was Sie
schreiben, nicht nur sehr enttäuscht, sondern entsetzt bin!
Daß Ihnen die geschätzte Zahl von 90.000 Todesfällen
jährlich durch Tabakkonsum in der Bundesrepublik "zu denken" gibt,
finde ich - um es linde auszudrücken - ein bißchen wenig. Wie
stehen Sie dann zu den von der WHO geschätzten 3 Millionen Todesfällen
weltweit? Gibt das Ihnen auch "zu denken"? Ob es in 30 Jahren - wenn es
nach einer anderen Schätzung der WHO jährlich über 10 Millionen
Todesfälle weltweit geben wird - Ihren Nachfolgern bei der TK auch
"zu denken" geben wird?!
Ich frage mich, ob Sie meine Begründung an die Staatsanwaltschaft
überhaupt gelesen haben können. Dabei habe ich mich soviel Mühe
damit gemacht.
Ich möchte Sie und Ihre Kollegen bitten meine Begründung nochmals
- vielleicht etwas langsamer als das erste Mal - durchzulesen. Wenn es
Ihnen dann immer noch nur "zu denken" gibt, und Sie sonst bei dem, was
Sie mir geschrieben haben, bleiben wollen, müssen wir es so lassen.
Es tut mir leid, aber mehr kann ich auch nicht tun.
Wenn Sie weiter nichts damit anfangen können, bitte schicken Sie
mir meine Begründung an die Staatsanwaltschaft wieder zurück.
Danke.
Mit freundlichen Grüßen
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