Briefwechsel mit der Redaktion der Zeitschrift SPIEGEL
Chefredakteur Stefan Aust
Brandstwiete 19, 20457 Hamburg
1. Brief (o.A)    2. Brief (m.A.)
 
 
Erster Brief vom 26. März 1997

Sehr geehrter Herr Aust,

Sie kennen sicherlich die "Ich rauche gern" Werbung des Hamburger Zigarettenherstellers Reemtsma. Bei einer so direkten und unverblümten Aufforderung zum Rauchen ließ mein Gewissen mir keine Ruhe bis ich zur Tat geschritten bin und mit einer Spraydose versucht habe, dieser Werbung ihre schädliche Wirkung zu nehmen. Ich machte daraus: 

"Ich, Idiot, rauche gern"
Nun bin ich von der Polizei dabei ertappt worden. Die Beamten waren sehr freundlich und zeigten auch Verständnis für meine Aktion. Nichtsdestotrotz habe ich eine Vorladung bekommen und mußte mein Handeln, welches mir den Vorwurf der Sachbeschädigung durch Farbschmiererei eingebracht hat, begründen. Meine Begründung liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Eine genaue Kopie davon einschließlich Bilder und Anhang ist diesem Schreiben beigelegt. 

Ich habe die Hoffnung - vielleicht etwas gewagt angesichts der Tatsache, daß auch der Spiegel an Zigarettenwerbung Geld verdient - daß Sie mich in meinem Kampf gegen die Zigarettenwerbung unterstützen könnten und möchte Sie deswegen bitten meine Begründung für die Staatsanwaltschaft durchzulesen. Angesichts der Vorgänge in den USA ist die Zeit reif, glaube ich, auch bei uns endlich die Förderung - durch welche Mittel auch immer - dieser so gesundheitsschädlichen (für viele ja tödlichen) Sucht zu verbieten. Wenn ich die Statistiken über die Gesundheitsschäden und die Todesfälle (vom Bundesministerium für Gesundheit für die BRD auf mindestens 90.000/a geschätzt), die durch das Rauchen verursacht werden, lese, scheint es mir ungeheuerlich, daß für Zigaretten immer noch Werbung gemacht werden darf. Man kann das Rauchen nicht generell verbieten, aber angesichts unseres heutigen Wissens, sie noch zu fördern, ist - man muß es deutlich sagen - ein Verbrechen! 

Die Tabakindustrie und die Deutsche Städte-Reklame GmbH handeln so wie sie es tun, weil sie ihre geschäftlichen Interessen über alles stellen - auch über die Gesundheit und das Leben von Menschen. Ich hoffe, daß der Spiegel das nicht nötig hat und es vielleicht auch aus Prinzip nicht machen würde. Ich freue mich auf Ihre baldige Antwort (die Zeit drängt ein bißchen)

Mit freundlichen Grüßen

Roger A. Hicks 

P.S. Die World Health Organisation (WHO) schätzt die Zahl der Todesfälle weltweit derzeit auf ca. 3 Millionen Menschen - JÄHRLICH! Das entspricht einem Holocaust alle 2 Jahre! Wenn es nach der Tabakindustrie geht, wird es in Zukunft durch steigendem Konsum in den Entwicklungsländern ein mehrfaches davon werden. Direkt können wir den Tabakkonsum in diesen Ländern nicht verhindern, aber indirekt, indem wir selber konsequent handeln, können wir ein sehr wichtiges Zeichen setzen. Die Zigarettenwerbung trägt wesentlich dazu bei, daß jeden Tag hunderte ja tausende junger Menschen anfangen zu rauchen oder weiter rauchen. Auch deswegen drängt die Zeit. 


Keine Antwort 
 

Zweiter Brief vom 29. Mai 1997

Sehr geehrte Spiegel Redaktion, 

vor ca. 2 Monaten (26. März) habe ich Ihrem Chefredakteur Stefan Aust geschrieben und anbei einige Unterlagen geschickt (eine Begründung für die Staatsanwaltschaft wegen einer Aktion, die ich gegen Plakate der "Ich rauche gern" Werbung in Braunschweig unternommen hatte). Als ich nach 2 Wochen nichts von Ihnen gehört hatte, schickte ich einen ähnlichen Brief mit den gleichen Unterlagen an "FOCUS". Dessen Redaktion hat mir wenigsten geantwortet und meine Unterlagen zurückgeschickt! 

Das Amtsgericht Braunschweig hat mich zu 60 Tagessätzen verurteilt, wogegen ich Einspruch eingelegt habe (eine Kopie liegt diesem Schreiben bei). Am Montag dem 9. Juni kommt zur Hauptverhandlung beim Amtsgericht Braunschweig, an der Martinikirche 8, um 8.30 Uhr. Ich lade Sie herzlich dazu ein. 

Wenn Sie, bzw. Herr Aust, meine Unterlagen nicht brauchen, bitte ich Sie, sie mir zurückzuschicken. Danke.

Mit freundlichen Grüßen,

Roger A. Hicks 


Antwort vom 11. Juni 1997

Sehr geehrter Herr Hicks,

täglich erhält der SPIEGEL aus dem Leserkreis Hinweise und Anregungen zu Themen, die bisher vielleicht nicht genügend beachtet wurden. Die Redaktion freut sich über dieses Interesse an ihrer Arbeit und prüft und sammelt alle so übermittelten Informationen.

Jeden Impuls gleich in die journalistische Tat umzusetzen, ist nicht möglich. Manche Probleme und Vorkommnisse, auf die wir hingewiesen werden, sind doch schon in der Tagespresse oder auch im SPIEGEL behandelt worden. Manche sind nur von privater, lokaler oder kurzlebiger Bedeutung, schildern Einzel- und Sonderfälle ohne allgemeine, gesellschaftliche Aussagekraft und sind daher für den SPIEGEL kein vordringliches Thema. Mancher Hinweis wird von der SPIEGEL-Dokumentation archiviert, damit er bei einer eventuellen späteren Veröffentlichung in einem größeren Zusammenhang genutzt werden kann. Immer ist es Sache der Redaktion, zu entscheiden, wie der Nachrichtenstoff, zu dem gewiß auch die Hinweise von Lesern gehören, journalistisch verarbeitet wird.

Für Ihre Einsendung danken wir Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

DER SPIEGEL Ressort Information

Karl-H. Schaper