Erster Brief
vom 26. März 1997
Sehr geehrter Herr Aust,
Sie kennen sicherlich die "Ich rauche gern" Werbung des Hamburger Zigarettenherstellers
Reemtsma. Bei einer so direkten und unverblümten Aufforderung zum
Rauchen ließ mein Gewissen mir keine Ruhe bis ich zur Tat geschritten
bin und mit einer Spraydose versucht habe, dieser Werbung ihre schädliche
Wirkung zu nehmen. Ich machte daraus:
"Ich, Idiot, rauche gern"
Nun bin ich von der Polizei dabei ertappt worden. Die Beamten waren
sehr freundlich und zeigten auch Verständnis für meine Aktion.
Nichtsdestotrotz habe ich eine Vorladung bekommen und mußte mein
Handeln, welches mir den Vorwurf der Sachbeschädigung durch Farbschmiererei
eingebracht hat, begründen. Meine Begründung liegt jetzt bei
der Staatsanwaltschaft. Eine genaue Kopie davon einschließlich Bilder
und Anhang ist diesem Schreiben beigelegt.
Ich habe die Hoffnung - vielleicht etwas gewagt angesichts der Tatsache,
daß auch der Spiegel an Zigarettenwerbung Geld verdient - daß
Sie mich in meinem Kampf gegen die Zigarettenwerbung unterstützen
könnten und möchte Sie deswegen bitten meine Begründung
für die Staatsanwaltschaft durchzulesen. Angesichts der Vorgänge
in den USA ist die Zeit reif, glaube ich, auch bei uns endlich die Förderung
- durch welche Mittel auch immer - dieser so gesundheitsschädlichen
(für viele ja tödlichen) Sucht zu verbieten. Wenn ich die Statistiken
über die Gesundheitsschäden und die Todesfälle (vom Bundesministerium
für Gesundheit für die BRD auf mindestens 90.000/a geschätzt),
die durch das Rauchen verursacht werden, lese, scheint es mir ungeheuerlich,
daß für Zigaretten immer noch Werbung gemacht werden darf. Man
kann das Rauchen nicht generell verbieten, aber angesichts unseres heutigen
Wissens, sie noch zu fördern, ist - man muß es deutlich sagen
- ein Verbrechen!
Die Tabakindustrie und die Deutsche Städte-Reklame GmbH handeln
so wie sie es tun, weil sie ihre geschäftlichen Interessen über
alles stellen - auch über die Gesundheit und das Leben von Menschen.
Ich hoffe, daß der Spiegel das nicht nötig hat und es vielleicht
auch aus Prinzip nicht machen würde. Ich freue mich auf Ihre baldige
Antwort (die Zeit drängt ein bißchen)
Mit freundlichen Grüßen
Roger A. Hicks
P.S. Die World Health Organisation (WHO) schätzt die Zahl der Todesfälle
weltweit derzeit auf ca. 3 Millionen Menschen - JÄHRLICH! Das entspricht
einem Holocaust alle 2 Jahre! Wenn es nach der Tabakindustrie geht, wird
es in Zukunft durch steigendem Konsum in den Entwicklungsländern ein
mehrfaches davon werden. Direkt können wir den Tabakkonsum in diesen
Ländern nicht verhindern, aber indirekt, indem wir selber konsequent
handeln, können wir ein sehr wichtiges Zeichen setzen. Die Zigarettenwerbung
trägt wesentlich dazu bei, daß jeden Tag hunderte ja tausende
junger Menschen anfangen zu rauchen oder weiter rauchen. Auch deswegen
drängt die Zeit.
Keine Antwort
Zweiter Brief
vom 29. Mai 1997
Sehr geehrte Spiegel Redaktion,
vor ca. 2 Monaten (26. März) habe ich Ihrem Chefredakteur Stefan
Aust geschrieben und anbei einige Unterlagen geschickt (eine Begründung
für die Staatsanwaltschaft wegen einer Aktion, die ich gegen Plakate
der "Ich rauche gern" Werbung in Braunschweig unternommen hatte). Als ich
nach 2 Wochen nichts von Ihnen gehört hatte, schickte ich einen ähnlichen
Brief mit den gleichen Unterlagen an "FOCUS". Dessen Redaktion hat mir
wenigsten geantwortet und meine Unterlagen zurückgeschickt!
Das Amtsgericht Braunschweig hat mich zu 60 Tagessätzen verurteilt,
wogegen ich Einspruch eingelegt habe (eine Kopie liegt diesem Schreiben
bei). Am Montag dem 9. Juni kommt zur Hauptverhandlung beim Amtsgericht
Braunschweig, an der Martinikirche 8, um 8.30 Uhr. Ich lade Sie herzlich
dazu ein.
Wenn Sie, bzw. Herr Aust, meine Unterlagen nicht brauchen, bitte ich
Sie, sie mir zurückzuschicken. Danke.
Mit freundlichen Grüßen,
Roger A. Hicks
Antwort vom 11. Juni 1997
Sehr geehrter Herr Hicks,
täglich erhält der SPIEGEL aus dem Leserkreis Hinweise und
Anregungen zu Themen, die bisher vielleicht nicht genügend beachtet
wurden. Die Redaktion freut sich über dieses Interesse an ihrer Arbeit
und prüft und sammelt alle so übermittelten Informationen.
Jeden Impuls gleich in die journalistische Tat umzusetzen, ist nicht
möglich. Manche Probleme und Vorkommnisse, auf die wir hingewiesen
werden, sind doch schon in der Tagespresse oder auch im SPIEGEL behandelt
worden. Manche sind nur von privater, lokaler oder kurzlebiger Bedeutung,
schildern Einzel- und Sonderfälle ohne allgemeine, gesellschaftliche
Aussagekraft und sind daher für den SPIEGEL kein vordringliches Thema.
Mancher Hinweis wird von der SPIEGEL-Dokumentation archiviert, damit er
bei einer eventuellen späteren Veröffentlichung in einem größeren
Zusammenhang genutzt werden kann. Immer ist es Sache der Redaktion, zu
entscheiden, wie der Nachrichtenstoff, zu dem gewiß auch die Hinweise
von Lesern gehören, journalistisch verarbeitet wird.
Für Ihre Einsendung danken wir Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
DER SPIEGEL Ressort Information
Karl-H. Schaper
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