16.
Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz Antrag
des Bundesvorstandes zur Einwanderungspolitik: Grüne
Einwanderungspolitik:
Die Gestaltung von Einwanderung gehört zu den zentralen politischen Fragen der nächsten Jahre. Wer über Einwanderung redet, spricht über die Zukunft Deutschlands und Europas. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das Grundgesetz garantiert die kulturelle Freiheit aller hier Lebenden. Die damit verbundene kulturelle Vielfalt ist eine Bereicherung der Bundesrepublik. Jahrelang sperrten sich CDU/CSU aber auch Teile der SPD und der FDP wider besseren Wissens gegen eine Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsland. Die Gestaltung des Zusammenlebens wurde damit verhindert. Heute bestreitet keine demokratische Partei mehr ernsthaft, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist. Der Streit geht darum, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Sollen wir Einwanderung gestalten? Oder soll die Zuwanderungspolitik Abschottung organisieren? Von Zuwanderung zu reden und Abschottung zu signalisieren ist die Politik von CDU und CSU. Der in ihrem Einwanderungspapier hochgehaltene Begriff der Leitkultur setzt andere Kulturen herab. Mit seinem ausdrücklichen Bezug auf das christliche Abendland werden jüdische und muslimische Überzeugungen und atheistische Kulturen aus der hochgehaltenen nationalen Identität ausgegrenzt. Im Kern geht es CDU und CSU darum, Zuwanderung ausschließlich zu begrenzen. Dem setzen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN entgegen: Wir brauchen Einwanderung, wir wollen sie und wir machen Vorschläge zu ihrer steuernden Gestaltung. |
Gestaltung
von Einwanderung: multikulturelle Demokratie
Das Grundgesetz kennt keine Leitkultur, sondern setzt im Gegenteil auf Toleranz, gleiche Rechte und Pflichten für alle, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes leben. Wir wissen, dass die Gestaltung von Einwanderung komplex und schwierig ist. Sie beinhaltet aber eine große Chance, nämlich die der Weiterentwicklung der kulturellen Vielfalt, kurz: der multikulturellen Gesellschaft. Seit langem haben wir die gesellschaftliche Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft , die kulturelle Öffnung unter den Begriff Multikulti subsumiert. Die multikulturelle Gesellschaft hat eine positive Dimension, weil sie die selbstverständliche kulturelle Freiheit jedes Einzelnen bekräftigt, eine Differenzierung zulässt und sich abgrenzt, beispielsweise zu der Idee einer deutschen Leitkultur, die zur Assimilation und Unterordnung verpflichten will. Zur gesellschaftlichen
Perspektive einer pluralistischen, multikulturellen Einwanderungsgesellschaft
gehört aber auch die politische Zielvorgabe. Dazu braucht
es ein einigendes Band, das die gemeinsamen Regeln des Zusammenlebens beschreibt.
Zur Gestaltung
von Einwanderung gehören deshalb zwingend mehrere Aspekte, nämlich
sowohl Pluralismus der Kulturen als auch Integration und die Vereinbarung
und Einhaltung grundlegender Regeln des Zusammenlebens.
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Ziele
grüner Migrationspolitik
Wir wollen mit der Migrationspolitik folgende Ziele verfolgen:
Gründe für Einwanderung Gegenwärtig
hat die Bundesrepublik etwa 82 Millionen Einwohner. Bis zum Jahr 2020 wird
die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik auf 80,3 und bis zum Jahr
2050 auf 70 Millionen sinken.
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Die
drei Säulen der Einwanderungspolitik
Einwanderung nach Deutschland ist entlang von drei Säulen zu gestalten:
BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN treten ein für eine klare Unterscheidung der genannten
drei Säulen der Einwanderung:
Anders stellt sich die Situation bei den Säulen 1 und 2 dar. Die Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen, insofern sie aus Nicht-EU-Staaten erfolgt, ist im hohen Maße politsch steuerbar. Genauso verhält es sich mit der Aufnahme aus politischen oder humanitären Gründen. Säule 1 : Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen Arbeitskräftezuwanderung braucht demokratischen Konsens und flexible Quoten. Wir wollen zudem ein Verfahren schaffen, das die Entscheidung über die Zuwanderung in dieser ersten Säule transparent gestaltet. Durch die gesetzliche Regelung der Einwanderung muß ein flexibles Reagieren auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedarfe der Gesellschaft ermöglicht werden. Wir schlagen
deshalb für wirtschaftliche Einwanderung flexible Instrumente z.B.
Detailquoten oder Anreizmodelle, vor.
Die Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen muss auf Dauer angelegt sein. Im globalen Wettbewerb um Menschen mit besonderen Qualifikationen wird Deutschland nur erfolgreich sein, wenn wir Zuwanderern eine dauerhafte Lebensperspektive bieten. Auch die Integrationsbereitschaft von Zuwanderern ist fundamental davon abhängig. Das Modell des "Rotationsprinzips" ist gescheitert. Die Fehler der "Gastarbeiterpolitik" der vergangenen Jahrzehnte mit den heute noch bestehenden fatalen integrationspolitischen Folgen dürfen sich nicht wiederholen. Säule 2: Aufnahme aus politischen und humanitären Gründen Für die Aufnahme aus politischen und humanitären Gründen braucht es ebenfalls ein transparentes Verfahren. In festgelegten Zeiträumen werden unter Beteiligung des Bundestages und des Bundesrates, Kontingente für Gruppen deren langfristiger Zuzug erwünscht ist, festgelegt. Bei diesen Gruppen handelt es sich beispielsweise um Kontingentzuwanderer, aber auch um Spätaussiedler. Die aktuelle Entscheidung über die aktive Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen oder Opfern von Umweltkatastrophen etc. obliegt der Exekutive. Wer über Einwanderung spricht wird auch über diejenigen reden müssen, die seit vielen Jahren "illegal", geduldet oder ungesichert in der Bundesrepublik leben. Das Angebot der Legalisierung und Verstetigung ihres Aufenthaltes und auch das Angebot der deutschen Staatsangehörigkeit wäre der Beginn einer modernen Einwanderungspolitik in Deutschland.
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Säule
3: Aufnahme aufgrund von Rechtsansprüchen
Familiennachzug und Asyl sind individuelle einklagbare verfassungsrechtliche und gesetzliche Ansprüche. Auch die Binnenwanderung von Arbeitnehmern und Dienstleistern in der EU basiert auf Rechtsansprüchen, die durch nationale Rechtsetzung nicht zu relativieren und einer Quote nicht zugänglich sind. Familienangehörige
Wir unterstützen die Vorschläge der EU-Kommission zur Festlegung erweiterter Möglichkeiten beim Familiennachzug und das Ziel der weitgehenden Gleichstellung von Drittstaatern mit EU-BürgerInnen. Dieser Gleichheitsgrundsatz soll auch für dauerhaft aufgenommene Flüchtlinge nach der Genfer Konvention und mit subsidiären Schutzstatus gelten. Asylrecht
Wir setzen uns dafür ein, dass in Zukunft auch nichtstaatliche Verfolgung, Verfolgung im Rahmen von Bürgerkriegen, geschlechtsspezifische Verfolgung, erlittene Folter und Misshandlung zur Gewährung von Asyl führen, wie es in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen ist. Die Anerkennungsverfahren müssen verbessert und der Flüchtlingsstatus muss in rechtlichen und sozialen Bewertungen vereinheitlicht werden. Integration
Auch die Möglichkeit zur Verständigung, also das Erlernen der deutschen Sprache ist von entscheidender Bedeutung für die Erfolgschancen zugewanderter Menschen. Ziel gelungener Integration ist gegenseitiges Kennenlernen, ist die Bildung einer gemeinsamen Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichberechtigung und der im Grundgesetz verankerten Werte, der Erhalt wie auch die gegenseitige Beeinflussung vielfältiger kultureller Traditionen und die Entwicklung einer gemeinsamen Praxis von Toleranz und Anerkennung. Bildungsoffensive:
Sprache und berufliche Qualifikation
Die Bemühungen
um Integration müssen zukünftig wesentlich besser koordiniert
und verstärkt werden. Länder und Kommunen müssen deshalb
schon für den Besuch von Kindergärten werben, dort sprachliche
und interkulturelle Angebote vorweisen, damit Defizite bei Beginn des Schulbesuchs
nicht mehr existieren.
Die Rolle der Frauen als Muliplikatorinnen wird oftmals weit unterschätzt. Mit Hilfe der Selbstorganisation von Vereinen etc. muss auch für diese z.B. Sprachunterricht angeboten werden. Für die schon hier lebenden MigrantInnen, gerade für die zweite und dritte Generation, brauchen wir dringend eine Bildungs- und Qualifizierungsoffensive. Beispielsweise müssen Ausbildungsverbünde zur Sicherstellung von beruflichen Abschlüssen bei jungen MigrantInnen geschaffen werden. Die Wirtschaftskraft von MigrantInnen wird bisher nur wenig genutzt. Die Chancen von Zuwanderern und ihren Kindern, ihre Bildungs- und Berufschancen müssen im Sinne der Chancengleichheit deutlich verbessert werden. Dazu gehört auch ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Zuwanderer. Aktive politische
Teilhabe
Politische Integration, verstanden als Zustimmung zur politischen und rechtlichen Ordnung des demokratischen Verfassungsstaates, setzt Beteiligungsrechte voraus - auch für MigrantInnen. Unser Ziel ist die Schaffung gleicher Rechte für alle Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben. BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN treten deshalb ein für die Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten
und die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und Gremien. Dazu gehören
das Wahlrecht und die Einbeziehung von Vereinen in die Meinungsbildung
und Gesetzgebung. Die Erfahrungen mit dem kommunalen Ausländer-Wahlrecht
in den Niederlanden und Dänemark zeigen, dass es integrationspolitisch
sinnvoll ist, über das menschenrechtlich verbriefte Recht der freien
Meinungsbildung und Vereinigungsfreiheit hinaus politische Partizipation
zu ermöglichen.
Öffentliche Verwaltungsaufgaben müssen im Zuge einer bürgernahen Verwaltung in Zukunft auch stärker von MigrantInnen erledigt werden können. Sie müssen in den Öffentlichen Dienst einbezogen werden. Für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN setzt Integration zwingend Teilhabe voraus: an Bildung, am gesellschaftlichen Leben und an der Gestaltung des Gemeinwesens.
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BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
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