Reaktion auf Roger Hicks'
Rede zur Einwanderungspolitik auf der GRÜNEN BDK in Stuttgart Von Barbara Schulze (Grünes Ratsmitglied im Braunschweiger
Rathaus), 28.05.2001 Ein Schwerpunktthema der letzten GRÜNEN
Bundesdelegiertenkonferenz in Stuttgart (09.-11. März 2001) war das
Thema Einwanderungspolitik. Der GRÜNE Bundesvorstand hatte hierzu einen
Leitantrag eingebracht, der die Überschrift "Kultureller Pluralismus
und Integration" trug. Dieser Leitantrag beantwortete die
Frage, welche
Schlussfolgerungen unsere Partei aus der Tatsache
zieht, dass die
Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland
ist. Der CDU-Parole von der
"deutschen Leitkultur' setzte dieser Antrag das Konzept der
„multikulturellen Demokratie"
entgegen. Als die 3 Säulen der
Einwanderungspolitik
definierte er 1. die Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen
(Arbeitskräftebedarf), 2. die Aufnahme aus politischen und humanitären
Gründen (Kontingentzuwanderung,
SpätaussiedlerInnen,
Bürgerkriegsflüchtlinge)
und 3. die Aufnahme aufgrund von Rechtsansprüchen
(Asyl, Familiennachzug),
wobei die von der CDU diskutierte Gesamtquote für alle 3 genannten Gruppen
als zu starr und unflexibel sowie nicht anwendbar auf Asylsuchende verworfen
wurde. In die Debatte um den einwanderungspolitischen
Leitantrag schaltete sich auch der von unserem Kreisverband entsandte
Delegierte Roger Hicks ein, der unter dem Motto irgendwo muss es eine Grenze
geben" seine "ganz konträre Haltung zur Einwanderung"
darstellte. Seiner Rede zufolge hält Roger es "für falsch und
verhängnisvoll,
Deutschland zum Einwanderungsland zu erklären", denn "Deutschland
und ganz Europa" seien "überbevölkert". Zwar sei es
verständlich,
dass die Menschen in unserer "Oase des Wohlstandes und der Freiheit"
leben wollten, doch müsse. man auch Verständnis haben für
jene, die Angst vor
"Überfremdung"
hätten. Ihn jedenfalls schmerze
es, dass in dem
Ortsteil von London, wo er aufgewachsen
sei, "inzwischen die weißen Engländer
eine kleine Minderheit"
seien. Fairerweise merkte Roger eingangs an,
dass er nicht die Meinung der Braunschweiger
GRÜNEN, sondern nur seine eigene
äußere. Auf
Rogers Beitrag gab es sowohl während der BDK als auch danach mehrere negative
Reaktionen, die per Telefon oder E-mail im Kreisverbandsbüro und in der
Fraktionsgeschäftsstelle
eingingen. (Die Leute waren entweder selbst bei der
BDK dabei oder hatten sie im Fernsehen
verfolgt.) Regelrecht schockiert waren
wir dann allerdings, als uns die Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt
der gewerkschaftsnahen Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Niedersachsen e.
V. darüber informierte, dass Rogers Rede in der rechtsgerichteten Berliner
Wochenzeitung 'Junge
Freiheit' abgedruckt worden war. Mit seiner
Zustimmung!
Was wiederum die "antifaschistischen nachrichten"
aufgriffen, die
ausführlich aus Rogers Rede
bzw. der Jungen Freiheit"
zitierten. Der 7-seitige
Beschluss der Stuttgarter BDK zur GRÜNEN Einwanderungspolitik wurde dagegen
weder in der Jungen Freiheit" noch in den "antifaschistischen
nachrichten" mit einem Wort
erwähnt. Ich habe
mich sehr über Rogers Rede und deren Veröffentlichung in der Jungen
Freiheit" geärgert. Zum einen verbitte ich
mir, dass ein Mitglied
unseres KV im Zusammenhang mit dem Thema Einwanderung eindeutig belastete
Begriffe wie "Überfremdung" in den Mund
nimmt. Zum anderen sollten
GRÜNE Mitglieder nicht in neurechten Postillen wie der "Jungen Freiheit"
publizieren, die damit
ihre ganz eigenen Absichten
verfolgen, die GRÜNEN Zielen diametral
entgegenstehen. In unserem Braunschweiger KV stellt Rogers Haltung meines
Erachtens lediglich eine
Einzel-, noch nicht mal eine
Minderheitenmeinung dar. Insofern finde ich es äußerst
fraglich, wenn sich
Roger als unser Delegierter hinstellt und Positionen
vertritt, die denen
unseres KV total
widersprechen. Da hilft auch sein Hinweis nix, er spreche
lediglich für sich und nicht für uns andere Braunschweiger
GRÜNEN. Es bleibt
was haften, noch dazu, wo Rogers Rede schwarz auf weiß die Runde
macht. Ich jedenfalls möchte die komplexe Frage der Einwanderung bzw. Zuwanderung in unserem KV nicht so diskutieren, wie es Roger anscheinend vorschwebt. Das heißt nicht, dass ich gegen eine vernünftige inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Einwanderung auch auf kommunaler Ebene bin. Grundlage hierfür sollte aber das von den GRÜNEN verfochtene Konzept der multikulturellen Demokratie sein, das Ziel der Debatte demgemäss die Klärung der Frage, wie man diese multikulturelle Demokratie am besten erreichen kann!
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